Die Schweiz ist kein Stadt-Staat
2. Februar 2021Was bestimmt Zürichs Zukunft?
16. März 2021Dem quantitativen Wachstum müssen Grenzen gesetzt werden.
Der Club of Rome – der heute in Winterthur im Kanton Zürich sein Headquarter hat – wies 1968 in einem eindrücklichen Aufruf auf die Grenzen des Wachstums hin. Geändert hat sich an der bedrohlichen Tendenz nichts: Die Menschheit wächst haltlos und sie plündert den Planeten und all seine Resourcen gnadenlos aus. Die Wirtschaft sieht immer neue Wachstumschancen und die Politik lässt die Ausgaben in nie dagewesenem Tempo wachsen und die Schulden der Staaten in immer neue Rekordhöhen schiessen.
Wollen wir das eigentlich? Dürfen wir das? Offenbar schert man sich kaum um solche Fragen. Oder aber man sieht das Wachstum als eine Art Naturgesetz an, als unaufhaltsam, wie eine Art von Pandemie, für die es nie eine Impfung geben wird. Den mit dem Wachstum verbundenen Umweltproblemen begegnet man mit noch weiterwachsenden Staatsausgaben und entsprechend erhöhten Abgaben, Gebühren, Steuern. Nichts packt man an den Wurzeln an, also bei den tatsächlichen Ursachen: Es gibt schon seit langem zu viele Menschen auf der Welt und ein Ende der Bevölkerungsexplosion ist nicht abzusehen. Die Menschheit wächst und wächst und damit wachsen auch die Probleme, die Verteil-Konflikte, die Kriege und die Verarmung – auch in Teilen der Welt, die diese nicht oder nichtmehr gekannt haben.
Das ist al fresco eine Status-Aufnahme der Welt in der wir leben. Und die zeigt auch wie der Bevölkerungsdruck entsteht: Seit der Nachkriegszeit – also etwa in meiner bisherigen Lebensspanne – ist die Bevölkerung der Welt von 4 auf 8 Milliarden Menschen hochgeschnellt und in der Schweiz hat sich die Einwohnerzahl im gleichen Zeitraum schön parallel von 4 auf 8 Millionen Menschen verdoppelt. Verantwortungsbewusste und gescheite Menschen extrapolieren diese Zahlen auf die Zukunft und errechnen, dass in 20 Jahren 100 000 Menschen mehr in der Stadt Zürich leben werden (wollen) – und sie schliessen daraus, dass immer noch mehr gebaut werden muss.
Wollen wir, die wir in Zürich leben, dies eigentlich auch? Die schon verstopften Strassen werden ganz verstopft, der öffentliche Verkehr, heute schon am Anschlag, kann das kaum mehr bewältigen, der heute schon intensiv genutzte Freiraum wird zusammengedrängt, die Infrastruktur für Spitäler, Schulen, Verkehrsmittel steigt noch weiter an. Wie will man das bezahlen? Wieso mutet man uns immer mehr Dichtestress zu?
Diese Entwicklung ist kein Naturgesetz. Wir können uns dagegen wehren, wir können den zur Methode gewordenen Irrsinn irgendwann stoppen. Und dem weiteren Ausbau der Stadt und ihrer Anpassung an die Prognosen ein «Halt!» gegenübersetzen. Der Tritt auf die Bremse kann sanft oder abrupt sein, irgendwann muss er kommen. Die «Klimajugend» will die Welt retten. Schön, da machen wir mit. Aber wir können nicht auf der einen Seite die Natur bewahren, und auf der anderen Seite das Wachstum weiterhin ins Kraut schiessen lassen.
Wir brauchen endlich die «Grenzen des Wachstums». Wir sind uns dessen seit 1968 bewusst, aber keine Generation will die Sache anpacken, niemand will dem Wachstum unserer Städte und der Überwucherung der Landschaft durch immer mehr Beton Grenzen setzten. Grenzen für den CO2-Ausstoss, Grenzen der Chemie beim Einsatz gegen Pflanzenkrankheiten, Grenzen für den Benzinverbrauch von Fahrzeugen sind offenbar einfach zu erlassen, aber Grenzen gegen das Wachstum der Einwohnerzahlen und die damit verbundene Umwandlung der Landschaft in Agglomeration interessieren weder Grün noch Rot, und die Wirtschaft schon gar nicht.
Genau da muss unser Kampf beginnen!
Andreas Honegger
1 Comment
Was die SVP bei all der Dichtestress-Furcht übersieht: Das Wachstum wird sich bald ins Gegenteil umkehren. Die geburtenstarken Jahrgänge sind gehen ins Seniorenalter und dann wird die Sterberate die sehr tiefe Geburtenrate weit übersteigen. Auch weltweit nimmt die Geburtenrate deutlich ab.
Aus Umweltschutzgründen ist es wichtig, dass man Städte wie Zürich viel stärker verdichtet. Dadurch steigt auch die Lebensqualität, weil in einer dicht gebauten Stadt viel mehr Sachen zu Fuss oder mit ÖV erreichbar sind und man auf ein Auto verzichten kann. Ausserdem sinken die Mieten, wenn es mehr Wohnangebot gibt.