Mit dem Papst gegen Lugano
4. November 2020Indikatoren zur „Stimmungslage“
3. Dezember 2020Verdichtung konkret – am Beispiel Brunaupark
Die nackten Zahlen wirken ja meist ziemlich unschuldig. 520 000 Einwohner im Jahr 2040: Das setzt sich die Stadt Zürich zum Ziel. Die städtebauliche Planung basiert heute auf dieser Richtgrösse. 2040 ist ja noch weit weg, denkt der geneigte Leser oder die geneigte Leserin. Doch man sollte diese Zahlen mit Leben füllen. Man sollte sie also konkretisieren. Machen wir doch den Versuch an Hand des kommunalen Richtplans 2019.
In diesem Richtplan werden die städtischen Regionen bezeichnet, in denen eine Verdichtung realisiert werden soll (oder: muss?), die über diejenige hinausgehen soll, welche bereits die Bau- und Zonenordnung (BZO) von 2016 ermöglicht. Es handelt sich um: Affoltern, Seebach, Oerlikon, Saatlen, Schwamendingen-Mitte, Hirzenbach, Unterstrass, Wipkingen, Leutschenbach, Altstetten-Hard, Sihlfeld, Albisrieden, Alt-Wiedikon, Altstetten-Nord, Zürich-West, Friesenberg, Wollishofen, Leimbach, Witikon. Man kann sagen: ein ziemlich grosser Teil der Stadt Zürich kommt da unter einen zusätzlichen Verdichtungsdruck.
Die Stadt rechnet vor: Im Jahr 2015 wurden in diesen Gebieten 289 000 Bewohner gezählt. Bis zum Jahr 2040 sollen hier 89 000 zusätzliche Bewohner angesiedelt werden. Auch diese Zahl ist vorerst einmal eine nackte Zahl.
Lasst sie uns weiter konkretisieren, und zwar an Hand eines aktuellen, umstrittenen Bauprojekts, dem Neubau des Brunauparks. Dessen Kenngrössen lauten: Arealfläche rund 40 000 m2; eine Besitzerin (CS Pensionskasse); Bestand 239 Wohnungen mit rund 400 Bewohnerinnen und Bewohnern. Geplant ist nun, dank der neuen, hochverdichteten Überbauung in 500 Wohnungen rund 900 Personen unterzubringen. Der Bevölkerungszuwachs beträgt also 500 Personen. Doch damit die alten Gebäude abgerissen und die neuen erstellt werden können, müssen die bisherigen Bewohner den Brunaupark verlassen.
Um die weiteren Kalkulationen sicherer zu machen, sei die Zahl der umzusiedelnden Bewohner von 400 auf 350 ermässigt und die Bevölkerungszunahme auf 550 erhöht. Nun können wir auf dieser Basis rechnen.
Wenn in diesen Über-Verdichtungsgebieten 89 000 zusätzliche Einwohner wohnen sollen, kann man diese Zahl durch 550 (Mehrbelegung im künftigen Brunaupark) dividieren. Das ergibt 162. Das heisst: Es braucht 162 Projekte wie der Brunaupark, um das anvisierte Zeil zu erreichen. Um das zu erreichen, müssten – nimmt man ebenfalls den Brunaupark als Anhaltspunkt – 162 mal 350 Personen umgesiedelt werden, total 56 700. Und da dies alles in 20 Jahren über die Bühne gegen soll, müssten jährlich etwa acht Verdichtungsprojekte à la Brunauparkt realisiert und 2835 Personen deswegen umgesiedelt werden.
Diese Dimensionen zeigen, dass es verschiedene, massive Eingriffe in die bestehende Rechtsordnung bräuchte, damit diese Zielsetzung nur schon eine gewisse Chance hätte, realisiert zu werden. Mit anderen Worten: Als die Stadt sich diesen neue Richtplan mit den Über-Verdichtungsgebieten gab, stellte sie sich nie ernsthaft die Frage, ob das, was man da in nackten Zahlen postulierte, auch wirklich machbar sei. Das kleine Rechenexempel am Beispiel Brunaupark zeigt, dass dies ziemlich unmöglich erscheint. In der Stadtplanung der Stadt Zürich sind offensichtlich Wünsche die Richtschnur und nicht eine seriöse Planung.
Felix E. Müller